Wer sich heutzutage beim Flanieren durch die Stadt bewusst macht, wie wenig Raum der Mensch noch der Natur lässt, bei dem kann sich schnell eine gewisse Misanthropie breit machen. Diese Verachtung für die eigene Spezies bezieht sich dann nicht nur auf Plastikmüll und Chemikalien, auf Smog, Straßenlärm und Lichtverschmutzung, auf unnötigen, jedoch verführerischen Konsumwahn und Ausbeutung der Schwächeren – der Tiere –, sondern auch auf die Missachtung der Schönheit des Unberührten, auf künstliche Parkanlagen, auf die trostlosen Monokulturen der Landwirtschaft, auf die augenscheinliche Entfremdung des Menschen von der Natur und dadurch auch von sich selbst. So zieht es den Betroffenen hinaus in die Wildnis, wo keine Straße brutal in die Landschaft schneidet, wo das Plätschern des Bachs oder das Rauschen des Winds noch die deutlichsten Klänge darstellen, wo der Seele gestattet wird, in einer längst vergessenen Harmonie mit dem Kosmos zu schwingen. Weiterlesen
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Der zweite Teil: 100 Jahre Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus
Vor einigen Monaten las ich zum ersten Mal Ludwig Wittgensteins berühmtes Logisch-Philosophisches Traktat. Da fiel mir auf, dass es 2018 seinen hundertsten Geburtstag feiert. Grund genug für einen Blogeintrag, dachte ich mir. Zugegebenermaßen studierte ich bisher keine weiteren Werke dieses sehr speziellen Philosophen, darf insofern als völliger Laie gelten. Andererseits juckt es mich in den Fingern, gerade deswegen meine noch unschuldigen, von eigenen und fremden Interpretationsversuchen einigermaßen ungetrübten Reaktionen einzufangen.
Wittgenstein behauptete dereinst, mit seinem Büchlein von knapp hundert Seiten alle philosophischen Probleme gelöst zu haben (V). Er bemühte sich dabei, streng logisch (und damit tautologisch) vorzugehen und mit möglichst wenigen Prämissen auszukommen: Die Welt sei „alles, was der Fall ist“ (1) und Wittgensteins Meinung zufolge lasse sich alles „[w]as sich überhaupt sagen lässt… klar sagen“ (V), also ohne die verschlungene Sprache der Metaphysik. Unserem Denken legt Wittgenstein somit die Struktur unserer Sprache zugrunde, was für die an die Sprache gebundene Philosophie ein legitimer Ansatz zu sein scheint. Durchstrukturiert ist auch sein gesamtes Werk, das nicht prosaisch, sondern in Form von durchnummerierten, aufeinander aufbauenden Paragraphen angelegt ist. Weiterlesen
Gedanken zur Willensfreiheit
Die Diskussion um die Frage, ob unser Wille, welcher uns Entscheidungen treffen lässt, frei oder unfrei sei – ob er durch willensformende Parameter determiniert oder nicht determiniert sei –, wird heute oft auf neurobiologischer, psychologischer oder physikalischer Ebene geführt. Ich erlaube mir, hinzuzufügen, dass ich in meinem Buch aus der menschlichen Fähigkeit zur Selbsterkenntnis gefolgert habe, dass das Bewusstsein – irgendwie und irgendwo – aktiv ins materielle Geschehen eingreifen muss. Der indeterministische Kollaps der Wellenfunktion aus der Quantenphysik böte hierfür sogar eine geeignete Schnittstelle zwischen Welt und Bewusstsein.¹
Um solche Details soll es hier aber gar nicht gehen, sondern die philosophische Reflexion soll ganz unbeeinflusst von naturwissenschaftlichen Ergebnissen stattfinden. Es stellt sich nämlich die Frage, ob sich das Adjektiv „frei“ überhaupt dem Willen zuordnen lässt. Problematisch könnte sein, dass Freiheit meistens „Freiheit von etwas“ bedeutet beziehungsweise voraussetzt (dieses Etwas kann zum Beispiel die Beeinflussung durch Hormone sein), während der Wille als „Wille zu etwas“ stets auf ein Objekt der Begierde gerichtet zu sein scheint (wie zum Beispiel einen bestimmten Menschen bei der Partnerwahl). Weiterlesen