Für gewöhnlich bedeutet Philosophie für mich, zwecks Wahrheitssuche das eigene Ego auch mal beiseite zu lassen. Ich bin in dieser Hinsicht gegen jeden Relativismus, welcher etwa alle Wahrheit für subjektiv erklärt, um sich mit den eigenen Vorannahmen nicht befassen zu müssen, gegen „schlechten Relativismus“ also. Als ich auf die anlässlich der achten Berner Bücherwochen geplante Anthologie zum Thema Mensch sein, Herz haben, sich empören stieß, nahm ich das jedoch als Einladung, den Gefühlen zur Abwechslung freien Lauf zu lassen.
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Jenseits von Reduktionismus und Vitalismus
Der „Reduktionismus“ gehört – als Objekt der Abgrenzung, Kritik und Überwindung – zu meinen Lieblingsthemen in der Metaphysik. Reduktionismus hat viele Facetten: Eine davon ist seine Verbreitung in Form von „Nichts als“-Formeln – Leerformeln –, welche in der englischsprachigen Literatur auch als „Nothing-buttery“ bezeichnet wurden: Menschen seien „nichts als“ Ansammlungen von Elementarteilchen, Elementarteilchen seien ihrerseits „nichts als“ Quantenfluktuationen, Willensfreiheit sei „nichts als“ eine Selbsttäuschung des Gehirns etc.
WeiterlesenEnergie und die Sehnsucht nach der Natur (Publikum.net)
In dem freien Presse-Portal Publikum habe ich soeben meinen ersten Artikel Energie und die Sehnsucht nach der Natur veröffentlicht.
Von Aristoteles zu Platon
Als jemand, der immer irgendwie mit dem „Transzendenten“ geliebäugelt hat, habe ich mich im Zuge meiner beginnenden Beschäftgung mit der abendländischen Philosophie eigentlich eher zu Platon hingezogen gefühlt als zu Aristoteles. Als Unterscheidungsmerkmal beider gilt zumeist die platonische Ideenlehre: Während Platon glaubte, dass die zeitliche und vergängliche Welt bloßes Abbild ewiger und transzendenter „Ideen“ sei, meinte Aristoteles, dass die Formen und Muster, welche die platonischen Ideen bilden, immer Formen von Dingen seien, die man sich dabei als etwas bereits „Angesprochenes“ denken müsse.
WeiterlesenPhilosophie und Aktivismus
Wir leben in politisch angespannten Zeiten. Da kann man sich, wenn man diese der Philosophie widmet, schonmal fragen, ob die eigene Tätigkeit hierfür eigentlich mehr Relevanz hat als etwa das „Binge-Watching“ von TV-Serien – und ob man nicht besser an die frische Luft gehen, seine Zeit mit seinen Nächsten verbringen oder sich doch tatsächlich mal politisch engagieren sollte. „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern“ [1], meinte ja Karl Marx. Weiterlesen
Corona zwischen Technokratie und Nihilismus
Der Corona-Krise begegnen wir in vielerlei Hinsicht mit einer trostlosen Überlebenslogik, mit einem technokratischen Nihilismus: Um Menschenleben zu retten, müssen wir uns quasi tot stellen. Dieses Denken ist nicht neu. Die Krise bringt es lediglich zum Vorschein. Damit kann sie aber auch als Chance gesehen werden, dem Abgrund ins Gesicht zu blicken.
Karl Popper und Gilbert Ryle
Auf Youtube gibt’s neue Videos, auf beiden Kanälen: Überlegungen zu Karl R. Poppers Falsifikationismus und eine Buchbesprechung zu Gilbert Ryles Begriff des Geistes. Viel Spaß damit!
Zdzisław Beksiński: Die Zeit und das Nichts

Gem. 1 (1979, 87 x 73 cm)
Zu den düsteren Werken Zdzisław Beksińskis gelangte ich einst – wenig überraschend -, als ich mich auch musikalisch den dunklen Künsten hingegeben hatte. Dieser wichtige Lebensabschnitt ist weitgehend vorbei, aber manchmal schaue ich doch zurück, und kürzlich nahm ich wieder das Bilderbuch „The Fantastic Art of Beksinski“ aus dem Morpheus-Verlag zur Hand. Weiterlesen
Erinnerung: Gedanken über Urknall und Urkluft
Einst war das Alter, da Ymir lebte:
Da war nicht Sand nicht See, nicht salz’ge Wellen,
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,
Gähnender Abgrund und Gras nirgend.¹
Der „gähnende Abgrund“ des Weltentstehungsmythos aus der germanischen Edda ist besser bekannt unter dem Namen „Ginnungagap“. Übersetzen lässt er sich auch als „Kluft“, und hierin entspricht er eins zu eins dem „Chaos“ aus der griechischen Mythologie, aus welchem dort die Welt hervorging.
Ich fand es immer faszinierend, dass unsere Vorfahren bereits die Idee eines Nichts, eines Abgrunds, einer Kluft als Ursprung der Welt hatten. Diese Kluft ist nicht der Weltraum, welcher ja oft nicht als Nichts, sondern in Form von konzentrischen Sphären vorgestellt wurde – denn im obigen Zitat heißt es explizit: „Nicht Erde fand sich noch Überhimmel“. Diese Urkluft reicht tiefer als der Himmel. Weiterlesen
Der zweite Teil: 100 Jahre Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus
Vor einigen Monaten las ich zum ersten Mal Ludwig Wittgensteins berühmtes Logisch-Philosophisches Traktat. Da fiel mir auf, dass es 2018 seinen hundertsten Geburtstag feiert. Grund genug für einen Blogeintrag, dachte ich mir. Zugegebenermaßen studierte ich bisher keine weiteren Werke dieses sehr speziellen Philosophen, darf insofern als völliger Laie gelten. Andererseits juckt es mich in den Fingern, gerade deswegen meine noch unschuldigen, von eigenen und fremden Interpretationsversuchen einigermaßen ungetrübten Reaktionen einzufangen.
Wittgenstein behauptete dereinst, mit seinem Büchlein von knapp hundert Seiten alle philosophischen Probleme gelöst zu haben (V). Er bemühte sich dabei, streng logisch (und damit tautologisch) vorzugehen und mit möglichst wenigen Prämissen auszukommen: Die Welt sei „alles, was der Fall ist“ (1) und Wittgensteins Meinung zufolge lasse sich alles „[w]as sich überhaupt sagen lässt… klar sagen“ (V), also ohne die verschlungene Sprache der Metaphysik. Unserem Denken legt Wittgenstein somit die Struktur unserer Sprache zugrunde, was für die an die Sprache gebundene Philosophie ein legitimer Ansatz zu sein scheint. Durchstrukturiert ist auch sein gesamtes Werk, das nicht prosaisch, sondern in Form von durchnummerierten, aufeinander aufbauenden Paragraphen angelegt ist. Weiterlesen