Bewusstsein und Gewusstwerden

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. (1. Kor 13, 12)

Das Unbewusste als komplementäres Gegenstück zum Bewusstsein hat schon lange einen festen Platz in unserer Kultur gefunden. Der Begriff „Unterbewusstsein“ kursiert synonym hierfür ebenso, widerspricht sich jedoch selbst, denn wenn sich das Unterbewusstsein gerade dadurch auszeichnen soll, dass mir seine Inhalte nicht bewusst sind, dann sollte es wohl nicht als ein zweites Bewusstsein unterhalb des eigentlichen Bewusstseins gedacht werden, sondern eben als Nicht-Bewusstsein, als Unbewusstsein oder eben Unbewusstes.

Unbewusst kann uns der Ort sein, an welchem wir den Schlüssel abgelegt haben (wenn wir aufgehört haben, darüber nachzudenken, fällt er uns auf magische Weise dann plötzlich ein), das Leid der Tiere, welches ich beim Einkauf verdränge, um mich nicht mit meinem Gewissen herumplagen zu müssen sowie die Einsicht, dass mein schlechter Geschmack bei Frauen auf ein gestörtes Verhältnis zu meiner Mutter zurückzuführen sei. Weiterlesen

Erinnerung: Gedanken über Urknall und Urkluft

Einst war das Alter, da Ymir lebte:
Da war nicht Sand nicht See, nicht salz’ge Wellen,
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,
Gähnender Abgrund und Gras nirgend.¹

Der „gähnende Abgrund“ des Weltentstehungsmythos aus der germanischen Edda ist besser bekannt unter dem Namen „Ginnungagap“. Übersetzen lässt er sich auch als „Kluft“, und hierin entspricht er eins zu eins dem „Chaos“ aus der griechischen Mythologie, aus welchem dort die Welt hervorging.

Ich fand es immer faszinierend, dass unsere Vorfahren bereits die Idee eines Nichts, eines Abgrunds, einer Kluft als Ursprung der Welt hatten. Diese Kluft ist nicht der Weltraum, welcher ja oft nicht als Nichts, sondern in Form von konzentrischen Sphären vorgestellt wurde – denn im obigen Zitat heißt es explizit: „Nicht Erde fand sich noch Überhimmel“. Diese Urkluft reicht tiefer als der Himmel. Weiterlesen