„Mythos oder Wahrheit“? Ist Dir diese Gegenüberstellung auch schonmal begegnet?
Wenn „Mythos“ und „Wahrheit“ eine exklusive Alternative bilden, dann folgt daraus, dass jeder Mythos per Definition falsch ist. „Mythos“ meint dann keinen „Glauben“ mehr, sondern nur noch einen „Irrglauben“.
Damit ist zugleich gesetzt, dass das All tot und sinnentleert sei. Die „Wahrheit“ diene primär seiner entmystifizierung. Sie diene dazu, uns von Illusionen zu befreien, sodass wir anschließend desillusioniert durch Raum und Zeit treiben können. Wahrheit diene primär dazu, alle Idealisten zu enttäuschen und sie so zu Zynikern zu machen.
Ich habe den Eindruck, dass diese fatale Gleichsetzung von Mythos und Irrglaube immer häufiger wird. Dabei mag ich mich freilich auch täuschen, aber existieren tut sie so oder so. Kürzlich ist sie mir in einem wissenschaftlichen Fachartikel begegnet. Auch auf der Klima-Website skepticalscience.com wird streng unterschieden zwischen „Climate Myth“ und „What the Science says“, wobei sich die Klima-Mythen natürlich stets als durch „die Wissenschaft“ widerlegte Fehlannahmen erweisen, selbstverständlich zugunsten der Theorie vom anthropogenen Treibhauseffekt.
Dabei ist ein Mythos im eigentlichen Sinne zunächst eine Art Geschichte, Sage, Legende, ein „Narrativ“ oder ähnliches. Mythen sind dabei nicht per Definition dadurch gekennzeichnet, ob sie wahr oder falsch sind – oft enthalten sie eine andere, allegorische Art von Wahrheit – weshalb die verbreitete Gegenüberstellung von Mythos und Wahrheit aus begrifflichen Gründen sinnlos ist. Und was den Klimawandel betrifft – der hier nur als Beispiel dienen soll – so handelt es sich bei diesem zweifelsohne um ein gewaltiges Narrativ und damit um einen weitaus stärkeren Mythos als besagte „Climate Myths“. Zugleich ist damit keine Aussage darüber getroffen, ob er Wirklichkeit oder Illusion ist, sondern nur darüber, ob er für uns Bedeutung hat. Lassen wir also diese sinnlose Gegenüberstellung und dem Mythos sein Recht.