Die andere Seite des Eigentums (kurz notiert)

Mein, dein – das sind doch alles bürgerliche Kategorien

sprach das kommunistische Känguru. Wenn auf diese Art über „Mein“ und „Dein“ geurteilt wird, denkt man meistens an das Privateigentum: an mein Auto, mein Geld auf meinem Konto, mein Ferrari, meine Luxusvilla, mein, mein, mein, alles meins. Diese Auffassung spiegelt sich sogar in der grammatikalischen Kategorisierung derartiger Pronomen als „Possessivpronomen“ wider – „possessiv“ wie „besitzanzeigend“. Im Marxismus gilt das Privateigentum als Ausdruck gesellschaftlicher Macht-, ja, Gewaltverhältnisse.

Tatsächlich können Mein und Dein aber auch etwas völlig anderes bedeuten: Wenn ich „meine Mutter“ sage, dann meine ich damit ja nicht, dass ich meine Mutter besitze oder sie mir gehört, und ebenso wenig drücke ich damit aus, dass ich ihr gehören würde; vielmehr meine ich, dass ich ihr zugehörig bin, insofern ich ihr Kind bin. Wenn ich „meine Heimat“ sage, meine ich damit, dass ich diesem Ort zugehörig bin, insofern ich dort geboren oder aufgewachsen bin oder er mich anderweitig geprägt hat. Wenn ich von „meinem Darmkrebs“ spreche, dann handelt es sich um etwas, was ich lieber loswerden würde. Etc.

Anno 2004 nutzt Sido in seinem Song Mein Block die sog. Possessivpronomen in dieser anderen Weise. Wenn er von „seinen Gedanken“ und „seinem Herz“ spricht, will er wohl kaum darauf hinweisen, dass diese ihm und keinem anderen gehören, sondern vielmehr, dass sie ihn ausmachen, seine Identität formen:

Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend
Meine Straße, mein Zuhause, mein Block
Meine Gedanken, mein Herz, mein Leben, meine Welt
Reicht vom ersten bis zum sechzehnten Stock

Ist Sido deswegen nun Kapitalist oder Spießbürger?

Den Linken wird ja oft ein „Globalismus“ oder „Internationalismus“ (als Spiegelbild des „Nationalismus“) vorgeworfen, welcher den von seinem jeweiligen Umfeld geprägten Menschen entwurzle und abstrahiere. Unabhängig davon, ob dieser Vorwurf gerechtfertigt ist, kann es nicht schaden, einmal diese andere Seite der Possessivpronomen zu thematisieren.

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